Die Immobilienbranche wird oft als schwerfällig und wenig modern belächelt. Stimmt doch gar nicht! Nicht nur, dass sich bereits seit Jahren – wenn auch zugegebenermaßen hier und da etwas zögerlich – Themen wie Digitalisierung und ESG zumindest in der Theorie etabliert haben. Die vergangenen Wochen haben auf einige dieser Entwicklungen wie ein Brandbeschleuniger gewirkt.
Nach dem Stillstand der ersten Wochen zieht die Zahl der Interessenten wieder an, und diese ziehen ebenfalls ihre Lehren aus den Umständen der vergangenen Monate. So haben sich die Anforderungen an die Bürowelten zwar nicht grundlegend verändert – jedoch wurden Trends, die sich bisher langsam abzeichneten, stark beschleunigt. Beispielsweise Konzepte, die keine 100-prozentige Auslastung der Flächen mehr vorsehen. Schon vor der Pandemie setzten einige Unternehmen auf die Bereitstellung und Anmietung von lediglich 80 Prozent der eigentlich erforderlichen Flächen – mit dem Gedanken, dass selten alle Mitarbeiter im Büro sind – sei es aufgrund von geschäftlichen Terminen, Urlaub oder Krankheit Einzelner. Dieser Trend wird nun verstärkt, da sich das Homeoffice als Teil einer neuen Arbeitswelt etabliert hat. James Gorman, Chef der zweitgrößten Investmentbank Morgan Stanley, schockte vor wenigen Wochen mit der Aussage, dass man wohl zukünftig „mit viel weniger Immobilien auskomme“. Bisher hat die Bank mehr als zwei Dutzend Adressen allein in Manhattan.
Sollten jetzt bei sämtlichen Eigentümern und der Bauwirtschaft die Alarmglocken schrillen? Werden die gut besuchten Bürotürme in New York, Frankfurt am Main und andernorts obsolet? Gina Szymanski von AEW Capital Management, einem der größten Immobilieninvestoren der USA, vergleicht die Entwicklung im Bürobereich mit der durch den E-Commerce vonstattengegangenen Veränderung im Einzelhandel: Der Bedarf wird sich verändern. Um also weiterhin attraktive Objekte zu entwickeln, braucht es einmal mehr vielfältige Nutzungskonzepte – und, wie eingangs bereits betont, eine neue Definition von Drittverwendungsmöglichkeiten.